Ich muss euch aber gleich vorwarnen, dass diese Mail sehr lang sein wird, da ich euch nun auch vieles berichten möchte, was bei mir so in den letzten Monaten alles passiert ist…
Also ich glaube ich beginne nochmal ziemlich am Anfang. Ich lebe zurzeit in einem Kinderheim in Robertson ( ca. 180 km östlich von Kapstadt) in Südafrika. Dort arbeite ich als Freiwillige, d.h. ich arbeite ohne Bezahlung und bekomme dafür drei Mahlzeiten am Tag und ein Zimmer mit Badezimmer gestellt. Dieses Zimmer teile ich mir mit Hannah, einer anderen deutschen Freiwilligen.
Das Kinderheim beherbergt zur Zeit etwa 120 Kinder aller Hautfarben im Alter von 0-18 Jahren. Diese sind altersmäßig und nach Geschlechtern in Häuser verteilt. Es gibt zwei Jungenhäuser, drei Mädchenhäuser und zwei Kleinkinderabteilungen (Jungs und Mädchen auch dort schon getrennt).
Ich wohne und arbeite hauptsächlich in der Kleinkinderabteilung (Alter von 0-6 Jahren). Momentan haben wir sieben Mädchen und zehn Jungs. Aber das heißt nicht viel, denn es können täglich neue Kinder kommen. Manchmal kommt es auch vor, dass Kinder wieder zu ihren Eltern, Verwandten oder zu Pflegeeltern kommen.
Meine Aufgaben sind relativ vielseitig. Natürlich gehört so etwas wie Windeln wechseln (keine Pampers, sondern Stoffwindeln, die gewaschen werden!), Kinder füttern und baden dazu. Aber die meiste Zeit des Tages spiele ich mit den Kindern, passe auf, wenn sie alleine spielen, mache Needle Work (jedes Kind hat eine Nummer, die auf jedes Kleidungsstück auf einem Bandstückchen genäht werden muss) oder erledige Fahrten fürs Kinderheim. Sei es täglich die Post abzuholen, Briefe oder andere Dinge abzuliefern oder abzuholen oder auch manchmal mit Kindern zum Doktor oder ins Krankenhaus zu fahren oder sie zum Sport oder Ähnliches zu bringen.
An die Tatsache, dass hier Linksverkehr herrscht, habe ich mich schnell gewöhnt. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich in Deutschland wieder auf der rechten Seite fahren muss J. Ansich habe ich meinen Fahrstil dem der Südafrikaner angepasst. Und das bedeutet manchmal einfach: Fahr so, dass dir selber kein anderes Auto reinfährt (oder ein Affe vors Auto läuft)...der Rest ist egal. Da stört es auch kaum jemanden, wenn wir mit 14 Personen in einem 7-Sitzer fahren.
Nachmittags helfen wir manchmal in den größeren Häusern bei den Hausaufgaben. Und das war besonders zu Beginn eine kleine Herausforderung. Denn obwohl eigentlich fast alle großen Kinder Englisch sprechen können, ist die Hauptsprache hier im Western Cape (Provinz, in der Kapstadt und auch Robertson liegt) Afrikaans. Und das bedeutet, dass die Hausaufgaben auch auf Afrikaans sind. Da konnte man manchmal nur raten, ob die Aufgaben jetzt richtig sind oder nicht.
Doch mittlerweise hat sich mein Afrikaans soweit verbessert, dass ich eigentlich nur noch Afrikaans spreche. Ich kann nicht behaupten, ich spräche es komplett fließend, aber dennoch gut genug, um im Alltag gut klar zu kommen. In Kapstadt selber oder auch, wenn Hannah und ich Urlaub gemacht haben, haben wir hauptsächlich Englisch gesprochen, sodass sich auch mein Englisch ein bisschen verbessert hat. Dazu hat wahrscheinlich auch beigetragen, dass z.B. das Fernsehen größtenteils auf Englisch ist. Und da wir hier im Kinderheim , wie ich finde, selbst mit den kleinen Kindern, sehr viel Fernsehen gucken, lernt man nebenbei doch noch mal das ein oder andere Wort in Englisch.
Doch neben meiner Arbeit im Kinderheim haben Hannah und ich auch schon eine Menge Urlaub gemacht. Dazu hat hauptsächlich beigetragen, dass wir uns seit Oktober für fünf Monate ein Auto gemietet haben (VW Citi Golf 1.4J). So hatten/haben wir die Möglichkeit, jedes freie Wochenende wegzufahren und so ein bisschen im Western Cape rumzufahren. Und ich kann sagen, dass wir sehr viel Schönes gesehen haben, viele neue Leute kennen gelernt haben und eine Menge Spaß hatten. Sei es beim Klettern durch die Cango Caves in Oudtshoorn, schwimmen im Indischen Ozean in der wunderschönen Victoria Bay oder beim Kanu fahren im Wilderness National Park.
Im Dezember hatten Hannah und ich dann noch ein Woche Urlaub, in der wir die ganze sogenannte „Garden Route“ gefahren sind. Diese verläuft an der Südküste Südafrikas von Kapstadt bis zum Tsitsikamma National Park, wobei wir bis zum Addo Elephant National Park gefahren sind, wo wir hunderte Elefanten gesehen haben. Ansonsten haben wir viele Strände, Berge und Täler, kleine Dörfchen und auch Großstädte gesehen. Und natürlich viele Tiere: Elefanten, Zebras, Giraffen, Delfine, Büffel, Antilopen, Schildkröten, Nashörner, Krokodile,…
Während der großen Sommerferien im Dezember sind viele Kinder zu ihren Eltern oder zu „Ferien-Familien“ gegangen. Die Kinder, die nicht gehen konnten, sind eine Woche zu einem Bush-Camp gefahren. Und wir Freiwilligen durften mitfahren. Obwohl es keinen Strom, Empfang oder sonstigen Luxus gab, war die Zeit dort unbeschreiblich schön. Es gab Singen am Lagerfeuer, Ausflüge zum nächsten Strand, Nachttier-Beobachtungsfahrten hinten auf dem Bakkie( Auto mit Ladefläche hinten à ich liebe es dort hinten mitzufahren!!), Spiele und besonders viele herzensgute Menschen, die Essen und Aktionen für die Kinder bezahlt haben, damit auch sie mal einen richtigen Urlaub erleben dürfen.
Und dann kam auch schon Weihnachten und Silvester…im Hochsommer. Es wird hier angemessen des Wetters anders gefeiert. Man grillt, geht im Pool schwimmen und genießt das gute Wetter. Und es kann schon ziemlich heiß werden. Über 30°C ist es eigentlich täglich und an einigen Tagen sogar über 40°C und das immer bei strahlend blauem Himmel. Nachts kann man dann wegen der Hitze nicht schlafen, obwohl der Ventilator direkt beim Bett steht.
Zu Weihnachten gehört der Kirchenbesuch ebenso wie die Geschenke, das Singen und das Beisammensein. Silvester war ich mit anderen Leuten aus dem Kinderheim abends in einem Club feiern. Leider nicht am Strand, so wie fast alle Südafrikaner.
Natürlich gab es aber auch nicht nur Sonnentage…es gab auch Tage, an denen nichts klappen wollte. Die Kinder haben dich zur Weißglut gebracht, du bist geschafft von der Arbeit oder du brauchst einfach mal eine Abwechslung bei deinen täglichen Aufgaben. Auch war ich schon ziemlich oft krank, wurde von einem Hund gebissen, mir wurde mein Handy geklaut und wir musste nach einem Total-Ausfall unseres Autos mitten in Kapstadt abgeschleppt werden. Aber all diese Sachen stehen nicht im Vordergrund. Denn für jede schlechte Sache, die mir hier in Südafrika widerfahren ist, gab es tausendmal mehr Momente, in denen ich einfach nur glücklich war. Sei es bei einer freudigen Umarmung der Kinder, beim Lachen, wenn sie dich sehen oder wenn sich eine Tannie (so nennt man hier die Erzieher) bei dir bedankt, einfach hier zu sein und zu helfen…
Ich genieße jede Sekunde hier in Südafrika…im Kinderheim, auf Reisen oder in Gedanken an all das Schöne in dieser Welt!