Meine Entscheidung, für einige Zeit ins Ausland zu gehen, war unglaublich spontan. Nach meinem Abitur hatte ich einige Dinge ausprobiert und bin dabei auch ziemlich gründlich auf die Nase gefallen, sodass man meine Grundidee wahrscheinlich mit einer Mischung aus‚ Ich möchte wirklich gerne mal ins Ausland‘ und Ich muss hier mal weg‘ ganz treffend beschreiben kann.
An einem Montag schickte ich meine Unterlagen ab, Mittwochmorgen hatte ich den ersten Kontakt mit der Agentur in England und am Abend den ersten Vorschlag für eine Gastfamilie in meinem Postfach. Ende der Woche dann das erste Skype-Gespräch und Sonntagabend stand schließlich fest, dass ich für ein halbes Jahr als Au Pair ins Ausland gehen würde. Heiliger Bimbam.
Ich übertreibe kaum, wenn ich sage, dass ich in den darauffolgenden zweieinhalb Wochen mehr als fünfmal täglich diese Entscheidung in Frage gestellt habe. Und als ich dann schließlich am Flughafen London Gatwick stand, war nur ein einziger Gedanke in meinem Kopf: „Was, zum Teufel, mache ich hier eigentlich?“ Anstatt für ein halbes Jahr Zuhause zu chillen, nichts zu tun, hatte ich mich für das gänzlich Unbekannte entschieden.
Und wisst ihr was? Es war das Beste, was ich hätte tun können.
Meine Gastfamilie war eine chaotische, typisch britische Familie und die Kinder, mit denen ich den Großteil meiner Zeit verbracht habe, nannte ich schnell ‚meine drei Unruhestifter‘. Ich brachte sie zum Kindergarten und zur Schule, kochte den britischen ‚Tea‘, wie das Abendessen dort genannt wird, spielte massenhaft Karten und konnte mich genügend für Puzzle begeistern, dass ich sie irgendwann auch in meiner freien Zeit gespielt hätte. Peppa Pig, Paw Patrol und alle Disney-Prinzessinnen gehörten schnell zum Allgemeinwissen und eine Lieblings-Gutenachtgeschichte fand ich auch ziemlich schnell. Wir waren Campen, bei einem Straßenrennen, mehr als nur einmal im Kino und so vieles mehr. Ich wurde von Anfang an ganz selbstverständlich bei allen Familienunternehmungen mit eingeladen.
Der Grund, weswegen ich mich damals für eine Agentur entschieden habe und mich nicht einer der unzähligen Webseiten bedient habe, war, dass ich Sicherheit wollte. Ich wollte zwar schnell ins Ausland, um die sechs Monate rechtzeitig zum Wintersemester beenden zu können, aber trotzdem eine schöne Erfahrung machen. Und ich wollte im Notfall abgesichert sein. Wenn ich dann später mit anderen Au Pairs gesprochen habe, sagten sie häufig das gleiche: Man entschied sich für eine Agentur, um bei einer schlechten Gastfamilie im Notfall schnell rausgeholt und neu vermittelt werden zu können.
Jetzt, nach sechs Monaten, würde ich es aber anders sagen: Der Grund, weswegen man sich für eine Agentur entscheiden sollte, ist nicht, im Notfall gerettet werden zu können. Sondern die Sicherheit, dass dieser Notfall mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird. Natürlich kommt es immer auf die Menschen an, die man trifft, und ob man charaktertechnisch zusammenpasst, doch die Albtraumsituation ‚billiges Dienstmädchen‘ wird mit ziemlicher Sicherheit eliminiert. Keine Gastfamilie wird durch eine Agentur vermittelt, wenn ein Au Pair dort nicht richtig behandelt wird.
Ich liebte meine Zeit in England. Sechs Monate haben sich noch nie so kurz und doch so lang und ereignisreich angefühlt. Ich habe so viel erlebt, so viel gelernt. Es war ein ganz spezielles Abenteuer. Also los. Überlegt nicht lange, sondern macht es einfach. Alles, was ihr braucht, ist Neugierde, Mut – und vielleicht auch ein kleines bisschen Spontanität. Und ihr werdet es auf keinen Fall bereuen.
Liebe Grüße,
Hannah