Als ich hörte, dass sich eine spanische Gastfamilie in Murcia für mich interessiert, wusste ich ehrlich gesagt nicht mal, wo das liegt. Für alle, denen es genauso geht: Murcia ist die Hauptstadt der gleichnamigen Region und liegt im Süd-Osten Spaniens, südlich von Alicante an der Costa Cálida. Ich war noch nie in dieser Gegen gewesen, also war ich natürlich gespannt auf Land und Leute, die laut Wikipedia dort sehr interessant sein sollen. Die Familie und ich begannen mit einem E-Mail-Wechsel und da wir uns auf Anhieb sympathisch waren, war ziemlich schnell klar: Im September gehe ich nach Murcia.
Der Abschied von Familie und Freunden war schwer - ich war schließlich noch nie so weit und so lang von zu hause weg gewesen - aber ich war so voller Vorfreude, dass schon im Flieger alle Traurigkeit vergessen war.
Am Flughafen lernte ich dann meine Gastmutter und die Kleine kennen, um die ich mich kümmern sollte. Na ja, so klein war sie eigentlich gar nicht mehr. Mit ihren 11 Jahren stand sie bereits am Rande der Pubertät, benahm sich manchmal ordentlich daneben, bekam aber nie auch nur ein bisschen die Grenzen gesteckt. Ihr großer Bruder (15) bekam dafür öfter mal eins auf den Deckel. Vielleicht liegt es an der spanischen Erziehung, aber die Kleine genoss ohne Frage den Prinzessinnenstatus und das kann schon mal sehr anstrengend sein. Ich habe noch nie ein Kind kennengelernt, das so von sich selbst überzeugt war und schon mit 11 (!!!) Jahren alle anderen von oben herab behandelt hat. Damit hatte ich oft meine Schwierigkeiten. Vor allem am Anfang, als ich ihr sprachlich noch so unterlegen war, und sie nicht genug in ihre Schranken weisen konnte.
Im Großen und Ganzen haben wir uns aber dann doch gut verstanden. Sie hatte mich sehr lieb, was sie mir auch - wenn sie nicht gerade mal wieder eine ihrer zickigen Phasen hatte - gesagt hat. Das sind dann die Momente, in denen man seinen ganzen Au-Pair-Stress und eventuellen Groll vergisst und sich einfach wunderbar fühlt. Das ist das Schönste, das man zurückkriegen kann. Ansonsten war ich wie die große Schwester für die beiden. Um den Jungen musste ich mich aufgrund seines Alters nicht mehr „kümmern“, aber er hat sich trotzdem immer gefreut, wenn er mir von der Schule oder von seinen Freunden berichten konnte.
Viel zu tun hatte ich nicht. Vormittags hatte ich frei, solange die Kinder in der Schule waren. Mittags habe ich für die ganze Familie - mit mir waren wir drei Personen, denn die Kleine aß in der Schule - gekocht. Meine Gastmutter hat mir gerne spanische Gerichte beigebracht und ich habe viele interessante Tipps und Tricks der spanischen Küche mitgenommen. Nachmittags waren Hausaufgaben und Lernen mit der Kleinen dran. Dadurch habe ich mehr Spanisch gelernt als wahrscheinlich in jeder Sprachschule. Meine spanischen Freunde haben sich schon gewundert, dass ich Wörter wie „Verdauungsapparat“ oder „Klimaerwärmung“ kannte. Aber man weiß ja nie, wofür man es mal brauchen könnte. Kontakt zu finden war in Murcia ganz leicht. Es gibt dort so viele Studenten und Couchsurfer, die einen mit offenen Armen empfangen. Und jeder, der schon einmal in Spanien Urlaub gemacht hat, weiß, wie gastfreundlich und herzlich die Spanier sind. Das ist etwas, das mir besonders gut gefallen hat und das ich in Deutschland manchmal ein bisschen vermisse.
Apropos vermissen: Ich hatte ziemlich starkes Heimweh. Am Ende mehr als am Anfang, komischerweise. Es ist ein doofes Gefühl, aber man muss keine Angst davor haben. Und man muss sich nicht dafür schämen. Keiner kann vorher wissen, ob es ihn ereilt oder nicht; ich hätte es zum Beispiel überhaupt nicht erwartet. Aber irgendwie habe ich dann auch meine Methoden entwickelt, um damit zurecht zu kommen.
Au-Pair in Spanien ist für alle das Richtige, die gerne Zeit mit Kindern verbringen und die neugierig auf ein spannendes Land, freundliche Menschen und bergeweise Essen sind. Ich kann es nur empfehlen. Egal, ob die Erfahrungen, die du dort machst, mal positiv oder negativ sind, sie bringen dich in jedem Fall weiter!
