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Neuseeland

„So... You're going to take care of me?“, frage ich um die peinliche Stille zu überbrücken. Der Mann, der gerade damit beschäftigt ist einen der Gurte an meiner Hüfte nachzuziehen schaut zu mir hoch und grinst und sagt mit breitem osteuropäischen Akzent: „I think you must have misunderstood that... You're going to have to take care of me...“

Witzbold.

Ich grinse und lache halbherzig. Besser nicht diskutieren. Immerhin wird an diesem Kerl ziemlich sprichwörtlich mein Leben hängen. Der kleine Tscheche ist mein Tandem-Master. Ich bezahle ihn dafür, dass er sich mit mir zusammen aus 12.000 Fuß Höhe (etwa 4 Kilometer) aus einem Flugzeug stürzt.

Verdammte Hacke! Wie bin ich eigentlich schon wieder in diesen Schlamassel geraten? Hatte ich mich nicht nach dem Bungy Sprung von den Extremsportarten abgewandt?

Ich bin 12.000 Kilometer von zuhause weg, in einem Land ganz am anderen Ende der Welt, ich stecke in einem orangefarbenen Jumpsuit und ich bin gerade im Begriff mich an einen (relativ gutaussehenden aber) völlig fremden Kerl zu schnallen und mit ihm zusammen in den Tod zu springen. Ich muss verrückt sein!

Oder ich bin ein Aupair in Neuseeland...

Vor etwa eineinhalb Jahren habe ich beschlossen nach dem Abitur für eine Weile ins Ausland zu gehen. An Neuseeland gereizt hat mich vor allem die Herausforderung. Es ist weit weg. Es ist auf der Südhalbkugel. Es hat 12 Stunden (maximal) Zeitverschiebung. Und, was man auch nicht vernachlässigen sollte, es ist voller Verrückter. Im Ernst – es gibt viele Sachen bei denen man als Europäer einfach nur den Kopf schütteln kann. Ampeln mit Countdown, Katzen die einfach so auf dem Beifahrersitz durch die halbe Stadt fahren dürfen, nicht zuletzt Leute die sich ein Gummiseil um die Füße binden und damit von Brücken springen.

Ich wusste von Anfang an, dass Neuseeland für mich eine harte Prüfung wird. Mir war auch klar, dass es Hochs und Tiefs geben würde und dass es nicht immer einfach ist, soweit von zuhause, den Freunden und der Familie entfernt zu sein. Was ich vorher nicht bedacht habe ist, wie schwierig ist wieder nachhause zu fliegen, wenn man neun Monate lang bei der tollsten Gastfamilie der Welt gelebt hat.

 

Aber halt! Soweit sind wir ja noch gar nicht! Ich bin noch nicht wieder in Deutschland, ich bin in Wanaka auf der Südinsel Neuseelands! Ich bin ein einem Flugezeug, in 4000 Metern Höhe und in wenigen Minuten werde ich Skydiven. Mein Herz hämmert. Mein Puls ist auf 180. Mein Unterbewusstsein schreit im Chor mit meinem Selbsterhaltungstrieb um Hilfe....

Im ernst: Wie bin ich hier gelandet?

Eigentlich lebe ich ja mit meiner Gastfamilie in Auckland North Shore. Gerade bin ich auf Urlaub und mit meiner Freundin Jana, ebenfalls ein Aupair, das ich hier in Neuseeland kennengelernt habe, auf der Südinsel unterwegs. Das ist etwas was fast alle Aupairs machen. Auf eigene Faust oder in kleinen Grüppchen, mit dem Backpacker Bus oder mit dem Auto, über die Südinsel touren. Die muss man einfach gesehen haben. Die Nordinsel ist wahnsinnig schön, aber während sie in weiten Teilen eigentlich eher so aussieht wie England (wegen den vielen Schafen und der weitläufig grünen Weidelandschaft) ist die Südinsel landschaftlich spektakulärer und wilder.

Während meiner Zeit in Neuseeland habe ich auch noch viele andere große und kleine Ausflüge gemacht (Bay of Islands, das Hobbiton-Set in Matamata, Cape Reinga, Wellington...), aber der Südinsel-Trip ist eigentlich am besten in Erinnerung geblieben.

Geplant war der Skydive eigentlich nicht. Auf die Idee gebracht haben uns zwei Deutsche Backpackerinnen, die wir irgendwo kurz vor Queenstown beim Hitchhiken eingesammelt haben. Also sind Jana und ich spontan mal Bungy-Jumpen gegangen...


Oh je... Ich glaube es ist Zeit auszusteigen...

Ich und mein Tscheche sind als erstes dran. Die Klappe geht auf, unser Kameramann klettert nach draußen und mein Tandem-Master schubst mich in Richtung Tür.

„Hallo? Kann mich jemand hören? Ich möchte dann doch lieber wieder runter!“

Und schon hänge ich über 4 Kilometern leerer Luft. Unter mir der zweitlängste Fluss Neuseelands und das atemberaubende Panorama der Southern Alps für das ich gerade mal überhaupt keine Augen habe. Ich habe gerade noch Zeit nach Luft zu schnappen. Dann springen wir. Und ich falle.

Oh mein Gott ich werde sterben! Ich sehe meine Familie nie wieder! Was wird meine Mutter dazu sagen? Und meine Gasteltern?

Meine Gastfamilie ist bestimmt die tollste Gastfamilie in ganz Neuseeland. Ich habe eine richtig enge Beziehung zu meinen Gastkindern Rico (8) und Mikayla (10). Und ich bin eigentlich ziemlich sicher, dass die sehr traurig seien werden, wenn ich heute hier sterbe.

Mit Mikayla hatte ich anfangs so meine Schwierigkeiten, aber das hat sich auch ganz schnell wieder gelegt. Man muss sich eben nur von Anfang an Respekt verschaffen. Aber ich liebe sie beide abgöttisch.

Meine Gasteltern sind beide noch sehr jung und entsprechend chaotisch ist unser Alltag. Aber das macht mir gar nichts. Ich stamme aus einer Künstlerfamilie, für mich ist das perfekt. Je abgedrehter desto besser. Man weiß nie was als nächstes passiert und das finde ich richtig gut so. Mein Knirbs ist inzwischen dreifacher (!!!) Weltmeister im BMX und deshalb dreht es sich auch immer viel ums Training.

Trotzdem habe ich mich während meiner ganzen Zeit in NZ immer gut aufgehoben und eher als Familienmitglied als als Gast gefühlt. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mit Fragen und Problemen immer zu meinen Gasteltern gehen kann und das, obwohl ich ab und zu mal ganz schön Mist gebaut habe.

 

Aus einem Flugzeug springen zum Beispiel!

Wir fallen immer noch. Das Blut kocht in meinen Adern. 400 Meter Luft rauschen an mir vorbei. Das Gefühl ist unglaublich und es macht eigentlich überhaupt keinen Sinn es zu beschreiben. Es ist der reinste Wahnsinn.

Ich fliege! Ich schreie! Ich jubele! Ob mich hier oben überhaupt jemand hören kann?

Jemand klopft mir von hinten auf die Schulter. Das ist mein Zeichen dafür, dass ich meine Arme ausbreiten kann. Der Bremsschirm ist draußen. Unser Kameramensch schwimmt durch die Luft um uns herum, über uns, unter uns, und macht Fotos. Ich grinse für die Kamera und schreie ein bisschen mehr.

Dann spüre ich den Ruck, als unser Fallschirm uns aus dem freien Fall reißt und wir segeln.

„Woah.“ Das ist alles was mein Adrenalin-Vergiftetes Gehirn zustande bringt.

Meine Fallschirm-Pro gibt mir High-Five.

 

Aupair sein ist wie Fallschirm-Springen. Manchmal fällt man und manchmal schwebt man. Es ist aufregend und kann sich wahnsinnig gut anfühlen. Aber es ist auch anstrengend und manchmal tut es weh (wie wenn der Fallschirm einen auffängt). Es geht viel zu schnell vorbei, aber es ist jede Sekunde wert. Es ist eine Erfahrung die ich auf gar keinen Fall mehr missen möchte.

Ich glaube dass mein Jahr in Neuseeland mich sehr viel stärker gemacht und mich in meiner persönlichen Entwicklung eine gute Ecke weiter gebracht hat. Und das nicht nur, weil mein Englisch sich enorm verbessert hat (und dass trotz Englisch-LK). Ich bin selbstbewusster und eigenständiger geworden. Ich habe einiges von dort Mitgenommen und ich war wahnsinnig traurig wieder nachhause zu fliegen. Im Ernst: Ich muss im Flugzeug so traurig ausgesehen haben, dass ein Mann mir ein Stück Schokolade gegeben hat.

Neuseeland wird für mich immer ein Stück zuhause sein und meine wundervolle, verrückte, abgedrehte Kiwi-Familie wird mir sicher noch eine sehr sehr lange Zeit unendlich fehlen.

Aber wie sagt man so schön: It's never „Good-bye!“. Its always „See you later!“

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