Im letzten Jahr, einen Tag vor Sylvester, ging für mich das große Abenteuer Ausland los, wie man es oft nennt. Es ist schwierig die dann folgenden 7 Monate zusammenzufassen. Ich habe mich mit dem neuen Jahr auch in ein neues Leben gewagt: andere Familie, andere Sitten, andere Sprache – einfach alles neu. Ich habe Tagebuch geschrieben und versucht die großen und kleinen Momente, glücklich, auch mal traurig, vor allem lustig und lebhaft, einzufangen; doch auch das gelang mir nicht hundertprozentig.
Ich lebte in Südfrankreich bei einer Patchworkfamilie mit 3 Jungs (12,11 und 3 Jahre), die mich ziemlich auf Trab hielten. Diese war mein erster und rückblickend absolut richtiger Gastfamilienvorschlag (danke an Multikultur (; ).
Ich kümmerte mich morgens und von Schulende bis Gute-Nacht-Geschichte um die Kinder, dabei hauptsächlich um den Kleinsten. Anfangs hatten wir unsere Schwierigkeiten, da er nie machen wollte, was er sollte und auch das Kommunizieren mit Nuckel und fremder Kindersprache kompliziert war. Doch wir gewöhnten uns schnell aneinander, ich verstand ihn immer besser und er hatte gleich einen Platz in meinem Herzen. Das strahlende Lächeln, wenn ich ihn von der Schule abholte (ja, in Frankreich geht man schon in diesem Alter in so etwas wie eine Vorschule) und er mir freudig, meinen Namen rufend, entgegen sprang, war unbezahlbar und unbeschreiblich für jedes Tagebuch. Auch die größeren Jungs waren wie meine kleinen Brüder, die oft nach meiner Meinung fragten und mit mir rumalberten. Abends war dann immer viel los: im Winter FIFA gezockt, im Sommer richtig Fußball draußen, wir haben gepuzzelt, gemalt, uns in Schränken versteckt und Knetfiguren gebastelt. Ich wurde vom Kleinen regelmäßig mit dem Doktorkoffer nach einem Plastikschwertkampf verarztet und so manche gemeinsame Tanz- oder Gesangseinlage hat für unvergessliche Familienvideos gesorgt.
Auch kleinere Hausarbeiten erledigte ich, aber wirklich nicht viel, da 3-mal wöchentlich eine Putzfrau kam.
Wir hatten lustige, erlebnisreiche, aber auch stets chaotische Ferien: Skifahren in den Pyrenäen und Surfen an der Atlantikküste.
Das ''Arbeitsverhältnis'' war immer ein Geben und Nehmen, ein Miteinander. Ich wurde wie ein Familienmitglied behandelt und so arbeitete ich auch mal mehr und bekam im Gegenzug viele Freiheiten, wenn meine Familie mich besucht hat oder mir wurden z.B., wie im Sommerurlaub, Surfkurse spendiert.
Die Gastmutter war wie eine sehr enge Freundin, wir konnten über alles reden und auch die Großeltern habe ich sehr lieb gewonnen. Wir aßen jeden Mittwoch bei ihnen zu Mittag (die Jungs und ich), was immer sehr witzig und lecker war. Das hat mir nicht nur etliche Rezepte beschert, sondern auch sprachliche Fortschritte, denn es wurde immer lebhaft diskutiert. Auch bei der Vorbereitung auf ein später erfolgreich bestandenes Sprachdiplom, unterstützen sie mich.
Natürlich knüpfte ich auch neue, internationale Freundschaften. Mit meinen Freundinnen stand dann mal ein Café, Brunch, Shoppen, Sport, ein Ausflug oder Party auf dem Plan.
Alles in Allem war es ein wundervolles, halbes Jahr, dass mit einem tränenreichen Abschied zu Ende ging und welches ich nicht missen möchte. Natürlich hatte ich auch Zweifel, Heimweh und mal Probleme mit den Kindern, aber dass ließ sich immer bewältigen.
Wir halten alle weiterhin Kontakt und mein Besuch nächsten Sommer steht schon fest. Sie meinten, dass für mich immer eine Tür offen stehe, was ja schon alles sagt: ich habe eine zweite Familie gefunden, in Frankreich.
